Inhalt

New Identities – Zeitgenössische Kunst aus Südafrika
31 Jul 2004———7 Nov 2004

—————————— Vor zehn Jahren endete mit den ersten freien Wahlen das menschenverachtende System der Apartheid in Südafrika. Das Land ist seither von der Peripherie immer mehr ins Zentrum des weltweiten Interesses gerückt. Soziale und politische Transformierung, wirtschaftlicher Aufschwung und eine durch die Verfassung garantierte Vielfalt der Kulturen kennzeichnen das Bild des neuen Südafrika.

Unterdrückte und marginalisierte Stimmen finden nunmehr Möglichkeiten des Ausdrucks.

Dennoch prägen immer noch diesen Staat die nicht gelösten Probleme massenhafter Arbeitslosigkeit, eklatante soziale Ungleichheiten und die damit verbundene Kriminalität sowie die verheerenden Auswirkungen von AIDS. Kultur und Erziehung haben in diesem gesellschaftlichen Umbruchprozess eine große Bedeutung erhalten. Insbesondere die bildende Kunst leistet schon jetzt entscheidende Beiträge im Integrations – und Emanzipationsprozess: In der Vielfalt und Komplexität der zeitgenössischen südafrikanischen Kunst läßt sich das Streben nach einer neuen nationalen Identität, die auf wechselseitiger Achtung des jeweils Anderen basiert, auf intensive Weise erleben. Der Zusammenbruch der Apartheid hatte auf allen Seiten eine Reflexion und Neudefinition der eigenen Identität hervorgebracht: Vom zielgerichteten Protest und Kampf gegen das Unrechtsregime führte die Entwicklung auch in der Kunst zu neuen Fragen, die sich mit Herkunft und Tradition ebenso auseinander setzen wie mit globalen Fragen der modernen Zivilisation, wie Multikulturalität, beschleunigtem technischen Fortschritt oder Immigrationsproblemen.

Zuvor unterdrückte und marginalisierte Stimmen finden nunmehr Möglichkeiten des Ausdrucks; vor allem selbstorganisierte Künstlerorganisationen in den städtischen Zentren und kunsthandwerkliche Initiativen auf dem Lande tragen dazu bei, bildende Kunst als wichtiges Forum eines breitgefächerten gesellschaftlichen Diskurses zu etablieren.

Zehn Jahre nach dem Ende der Apartheid gibt das Kunstmuseum Bochum mit einer engagierten Ausstellung einen Einblick in die aktuelle Kunstszene Südafrikas zu geben, wie er in Deutschland in ähnlich umfangreicher Weise zuletzt 1996 in der vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin veranstalteten Übersicht „Colours. Kunst aus Südafrika“ zu sehen gewesen ist. Vorgestellt werden 15 Künstler/innen mit zumeist aktuellsten Werken, die eine intensive Auseinandersetzung mit ihren künstlerischen Positionen ermöglichen sollen. Themenkomplexe der Identitätsbefragung, der Auseinandersetzung mit Urbanität und Multikulturalität sowie das bedrängende Thema AIDS gliedern die Präsentation. International bekannte Künstlerpersönlichkeiten, wie Jane Alexander oder die Dokumenta-Teilnehmer William Kentridge und Santu Mokofeng werden in der Ausstellung gemeinsam mit in Deutschland noch weniger bekannten Künstlern und Mitgliedern von Künstlerinitiativen präsentiert. Die klassischen Kunstgattungen Malerei, Plastik, Zeichnung sind ebenso vertreten wie Installation und die neuen Medien Fotografie und Video. Traditionellen künstlerischen Ausdrucksformen – Ndebele-Wandmalereien von Esther Mahlangu, Percussionsobjekte des Venda-Künstlers Samson Mudzunga und Stickbilder der Rossina Maepa – werden in diesem Projekt als gleichberechtigte zeitgenössische Kunstäußerungen gezeigt, die in besonderer Weise den Schöpfungswillen und die spezifische Vitalität Südafrikas charakterisieren.

Hinzu kommt ein Spezifikum: Aus ihrer finanziellen Situation heraus benutzen insbesondere Künstler, die in den Townships leben und arbeiten, Abfallprodukte wie alte Zeitschriften, Plakate, Verpackungsmaterialien oder gebrauchte Plastikbehältnisse als künstlerische Ausgangsmaterialien für Collagen, Assemblagen oder Installationen. Gerade diese Werke vermitteln einen starken unverbildeten Schöfpungswillen und reflektieren die Lebenswirklichkeit ihrer Macher unmittelbar. Auch die von Initiativen organisierte kunsthandwerkliche Produktion zeigt einen einzigartigen Phantasiereichtum beim Recycling von Wohlstandsmüll. So gehört zur Ausstellung darüber hinaus ein speziell für Bochum konzipierter Verkaufsshop mit einem breitem kunsthandwerklichen Angebot, welcher in Kooperation mit dem Craft Council South Africa (CCSA, Johannesburg) eingerichtet wird. Hierdurch sollen Kunsthandwerksinitiativen, die zumeist Frauen in ländlichen Gebieten Erwerbsmöglichkeiten bieten, ein Forum geboten und ein neuer Absatzmarkt für ihre Produkte erschlossen werden, der auch über die Ausstellung hinaus wirken soll.