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Kunstwerke rund um das Museum erleben

„Fünf Bildhauer“, Bronze patniert, von Johannes Brus (* 1942)

Das 5-teilige Bronzefiguren-Ensemble der „Fünf Bildhauer“ von Johannes Brus war im Rahmen der Jubiläums-Ausstellung „Frühe Fotos – Späte Schäden“ anlässlich des 70. Geburtstages des Künstlers 2012 schon einmal zu Gast im Kunstmuseum, damals allerdings in einer Beton-Version. Jetzt haben die überlebensgroßen „Fünf Bildhauer“ in Bronze einen dauerhaften Platz seitlich des Kunstmuseums auf der Dreieckswiese vor der historischen Villa Marckhoff-Rosenstein, heute Teil des Kunstmuseum Bochum, gefunden. Insgesamt handelt es sich bei der bewusst ´roh` belassenen, archaisch, aber nicht heroisch wirkenden Figurengruppe um eine abstrahierende Darstellung. Auf ein wirklichkeitsgetreues Abbild des Menschen wurde verzichtet. Dass die sitzenden Männer aus Bronze bestehen, offenbart sich erst bei genauerem Hinsehen, denn eine spezielle Patinierung verleiht ihnen ein betonartiges Aussehen. Tatsächlich aber können Gussnähte, ja sogar ein stehengebliebener Gusskanal auf dem Kopf einer der Figuren entdeckt werden. Die „Fünf Bildhauer“ gehören zu den wenigen menschlichen Gestalten im Werk des in Essen lebenden Bildhauers, der vor allem für seine Darstellungen von Nashorn, Pferd, Elefant und Adler bekannt ist. Jede Bronzefigur wiegt 400 Kilogramm. Gegossen wurden sie in Düsseldorf. Installiert auf massivem Beton-Sockel, die jeder Figur einen eigenen Raum definiert, entspannt sich zwischen den Einzelskulpturen, – unterstützt von der gleichgerichteten Körper- und Blickrichtung stadteinwärts – ein offenes Beziehungsgeflecht, das zum Vergleichen der Bronzefiguren einlädt. In unterschiedlicher Körperhaltung auf dem Boden sitzend, verharren die „Fünf Bildhauer“, ohne aktive Gestik, in sich versunken. Ihre vereinfachten Gesichtszüge ähneln eher einer Maske denn einem bewegten menschlichen Antlitz. Die Figuren erscheinen entrückt, fast mythisch-sakral. In ihrer ruhenden Haltung bilden sie einen starken Kontrast zur Dynamik des benachbarten Schulgeländes, wodurch ihr meditativer Charakter betont wird. „Das Handwerk ist nur ein Teil der Bildhauerei. Ganz viel passiert im Kopf. In der Ruhe liegt die Kraft“, beschreibt der zu den bedeutenden Bildhauern der Figuration zählende Johannes Brus die inhaltliche Thematik seiner „Fünf Bildhauer“ zwischen Phantasie, Reflexion und Stille. Die Skulpturengruppe ist eine Dauerleihgabe der „Stiftung der Sparkasse Bochum zur Förderung von Kultur und Wissenschaft“.

„Granit bleu de Vire, geschnitten“ (1987/88), Granit, von Ulrich Rückriem (*1938)

Seit 2008 steht die 6 Meter hohe Steinskulptur „Granit bleu de Vire“ als ein typisches Werk des Bildhauers Ulrich Rückriem seitlich des Eingangs zum Kunstmuseum Bochum. Ursprünglich hatte der Künstler das zur Konkreten Kunst zählende Werk 1988 ortsbezogen für einen Standort vor der Fassade der heute nicht mehr existierenden Westfalenbank Bochum entworfen. Inzwischen ist die große, jedoch nicht monumentalistisch wirkende Skulptur mit ihrer den Kontrast von unbearbeitetem und bearbeitetem Naturmaterial thematisierenden Präsenz zu einem Wahrzeichen des Kunstmuseums geworden. Das auf der Rückseite plan geschliffene, auf der Vorderseite „roh“ belassene Werk besteht aus zwei dicht aneinander gesetzten Blöcken, die das  Resultat der Teilung eines aus dem Steinbruch nach Auswahl durch den Künstler herausgebrochenen großen Granitstücks sind. Die aus diesem gemeinsamen Ursprung stammenden Blöcke wiederum wurden analog zur vor- und rückspringenden Architektur des Museumsbaus zueinander versetzt platziert, fast so, als würde es sich um einen einzigen Granitblock handeln. Tatsächlich aber hat der international zu den führenden Steinbildhauern zählende Ulrich Rückriem durch einen „Taille direct“, also durch eine unmittelbare Arbeit am Stein mit der Steinkreis- und Seilsäge, eine Spaltung des Volumens bewirkt, so dass die Skulptur über eine Thematisierung der Charaktereigenschaften des Naturmaterials im Dialog mit dessen Bearbeitung hinaus auch das Teil-Ganze-Verhältnis in den Blickpunkt rückt. Ob dabei das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile ist eine Frage. Eine andere ist, ob die mit der offensichtlichen Rückholung der Natur in die Kunst beschäftigte Skulptur als Stele, Körper oder Wege-Mal zu bezeichnen ist. Ulrich Rückriem, der als Geselle an der Dombauhütte in Köln eine Steinmetzlehre absolvierte und seit 1980 ausschließlich in Stein arbeitet, nachdem er sich zuvor auch mit Stahl auseinander gesetzt hatte, gilt als Meister in der Herausarbeitung von „primary structures“, die er so gestaltet, dass Naturwerkstoff, Arbeitsprozess, Form, Maß, Raum und Ort im Einklang zueinander stehen.

„Sculpture du Sol“ (1982), Bronze, von Jiří Hilmar (*1937)

Die zur unauffälligen, auf den ersten Blick nahezu unsichtbaren Public Art zählende Bodenarbeit „Sculptur du Sol“ des seit 1969 in Deutschland lebenden, tschechischen Bildhauers Jiří Hilmar verläuft in Gestalt eines in den Boden eingelassenen Bronzebandes entlang der überdachten Fensterfront des Kunstmuseum Bochum. Das schon im Titel auf seinen Standort verweisende Werk (frz., Bodenskulptur) unterstreicht aufgrund seiner Ortsbezogenheit die mit der Fensterfront gegebene Öffnung der Museumsarchitektur hin zum vor dem Museum liegenden Stadtpark und urbanen Raum. Architektur, Installation und Natur finden sich durch das ortsspezifische Bronzeband zu einem spannungsreich-komplexen Dialog vernetzt. Buchstäblich auf dieser Spur wandernd, entwickelt sich die minimalistische Setzung des Künstlers, der 1969 den „Klub der Konkretisten“ in der CSSR mitbegründet hat, zu einer die Raum- und Zeiterfahrung des Betrachters initiierenden Strecke. Stille und Meditation spielen beim Abschreiten eine ebensolche Rolle wie Klarheit und Konzeptualität. Neben oder auf dem Bronzeband laufend, mit Blick ins Museum oder in den Park, führt der Weg der Bronzelinie zielstrebig auf eine Treppe zu, um mittig hinuntergeführt in einer relieffierten, ebenfalls bodeneingelassenen Bronzescheibe zu münden. Im Unterschied zu dem radikalen Minimalismus des Bronzebandes akzentuiert das geografisch-karthografisch geprägt erscheinende Kreisrund einen organischen Gegenpol. Härte und Weichheit, Konstruktives und Visionäres treffen aufeinander. „Sculpture du Sol“ ist eine schon in der Frühphase des Museumsbaus eingeplante, für den Ort entwickelte Kunst im öffentlichen Raum. Wie in „Sculpture du Sol“ hat sich der von 1974 bis zur Auflösung der Gelsenkirchener Künstlersiedlung Halfmannshof dort lebende Künstler in vielen, häufig in Holz  gearbeiteten Werken mit dem Dialog zwischen Konkreter Kunst und Natur beschäftigt. Mit dem Ziel, das prekäre Verhältnis von Mensch und Kosmos in den Fokus zu rücken.

„Ferro spezzato – barra“ (1974), Eisen, von Giuseppe Spagnulo (1936-2016)

„Ferro spezzato – barra“ wurde von dem süditalienischen Bildhauer Giuseppe Spagnulo als autonome, ortsunabhängige Plastik geschaffen. Das zur Konkreten Kunst zählende Werk gehört zu der ab 1968 entstandenen Werkgruppe der „Ferri spezzati“, der „gebrochenen/geborstenen Eisen“, mit denen der international zu den bedeutenden Eisen- und Stahlbildhauern zählende Künstler sowohl die Eigenbedeutsamkeit des Materials als auch dessen expressives Ausdrucksverhalten thematisiert. Zu sehen ist eine, bis auf eine Verbindungsstelle nahezu vollständig mit dem Schneidbrenner aufgeschnittene, industriell hergestellte Eisenbramme, deren Hauptform schwebend und gegen das Basement gedreht, räumlich und gestisch unterschiedliche Ansichtigkeiten zeigt. Der durch Feuer und Hitze erfolgte Eingriff am Material, ablesbar an den unregelmäßigen, schrundigen Schnittflächen, teilt sich als prägender, mit großem Formwillen ausgeführter Bearbeitungsprozess mit. „Ferro spezzato – barra“ zeigt einen materialen Gestus, der in seiner Emotionalität Verletzlichkeit verbildlicht. Die Gewalt des Eingriffs, durch den das feste Material geformt und seine vorgegebene Form verändert wurde, initiiert als Reaktion auf die Materialverletzung einen dynamischen Ausdrucksgestus. Ob sich das vom Basement getrennte Teil eigenmächtig hoch biegt bzw., um diesen Eindruck zu erzeugen, im Bearbeitungsakt gewaltsam hochgebogen wurde, oder ob es abgesunken ist, weil die Bramme während des künstlerischen Eingriffs frei im Raum über dem Boden schwebend aufgetrennt wurde, so dass ein Teil der aufgeschnittenen Bramme der Gravitation folgend zur Erde absank, betont einmal mehr die prozesshafte Veränderung einer widerständigen, festen Struktur. Insgesamt gilt diese Materialdynamisierung Giuseppe Spagnulo als ästhetisches Modell für das Aufbrechen fester Strukturen -, auch im übertragenen, gesellschaftspolitischen Sinn.

„Olympia-Hymne“ (1972), Beton, von Wolf Vostell (1932 – 1998)

Das seitlich des Kunstmuseum Bochum installierte Werk „Olympia-Hymne“ ist das Relikt einer Kunstaktion, die der Fluxus- und Medienkünstler Wolf Vostell 1972 im Rahmen der von der Bochumer Galeristin Inge Baecker veranstalteten „1. Bochumer Kunstwoche“ im Bochumer „Ruhrpark“-Einkaufscenter zum Thema „Konsumgesellschaft“ geschaffen hat. Vor Publikum hatte der bekannteste deutsche Happening-Künstler in kapitalismuskritischer Absicht eine Ladentheke mitten im seinerzeit modernsten Konsumtempel, nebst Registrierkasse und einigen Broten, zunächst eingeschalt und dann einbetoniert. Die ungewöhnliche L-Form der sarkophagartigen Betonplastik geht auf die Form dieser Verkaufstheke zurück. Begleitet wurde die vom Künstler als „Ereignisplastik“ bezeichnete Aktion von einer Foto-Dokumentation. Die Fotografien stammten von Bochumer Bürgern. Sie zeigten die Wohnbedingungen um 1972. Zudem wurden die Fotos durch Lohnstreifen ´kommentiert` und beides der einbetonierten Plastik gegenübergestellt. Zu seinem Konzept schrieb Wolf Vostell: „Bei den Olympischen Spielen werden Millionen von Mark für unnützes Zeug und eine miese Leistungs-Ideologie verpulvert. Was wir brauchen sind keine Olympischen Spiele, sondern Aktionen, die den Menschen klar machen, welche Frustrationen ihnen diese Leistungsgesellschaft aufzwingt.“ Das Arbeiten mit dem in der Bildhauerei eher ungewöhnlichen Werkstoff Beton ist seit den frühen 1960er Jahren neben Decollagen und Installationen, die Fernseher integrieren, ein Markenzeichen Wolf Vostells. So hat er Autos einbetoniert oder mit flüssigem Beton gemalt. Zwei der markanten Sätze, die den Bezug seiner Kunst auf den Alltag hervorheben, lauten: „Ereignisse sind Waffen zur Politisierung der Kunst.“ (1970) „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst.“ (1961) Mit seinen Happenings wollte Wolf Vostell zeit seines Lebens zur „Humanisierung und Qualifizierung des Lebens“ beitragen.

„La Bataille (d`Anghiari)“, Bronze, von Jacques Charles Delahaye (1928-2010)

Das Bronzerelief „La Bataille (d`Anghiari)“, die Schlacht von Anghiari, entstand 1961, wurde 1965 für die Städtischen Kunstsammlungen Bochum angekauft und 1983 vor der Haupteingangsfassade an einer Außenwand (Nähe Bushaltestelle) installiert. Das Werk stammt von dem französischen Bildhauer Jacques Charles Delahaye, der als ein bedeutender Vertreter der abstrakt-informellen Kunst nach dem 2. Weltkrieg gilt. Mit „La Bataille“ besitzt das Kunstmuseum Bochum ein Werk, das einen Höhepunkt im Schaffen des Künstlers darstellt, der sich um 1962 aus der aktiven Kunstproduktion zurückzog, nachdem er in den 1950er und 60er Jahren als Vertreter der internationalen Avantgarde gefeiert worden war. 2006 widmete die Galerie Villa Wessel in Iserlohn dem Documenta II-Teilnehmer eine Einzelausstellung, die ihn als wichtigen Vertreter informeller Plastik wiederentdeckte. Das nahezu quadratische Bochumer Relief zeichnet sich durch eine enorme Dynamik unterschiedlich großer, unterschiedlich geformter, unterschiedlich weit in den Raum ein- bzw. vorgreifender, zum Teil rundorganischer, zum Teil scharfkantiger Erhebungen aus. Eine zugrunde liegende Ordnung nach dem sich die ´Buckel` und ´Höhlungen` bzw. die dadurch verursachten Licht-Schatten-Wechsel systematisieren ließen, ist nicht erkennbar. Stattdessen überwiegt der Eindruck eines chaotischen Gewimmels. Erst auf den zweiten Blick, vor allem aber nach dem Verlassen der frontalen Standortposition vor dem Relief hin zu einer seitlichen Blickwinkel-Position, werden Pferdeköpfe und -leiber, Figuren, Torsi und Reiter erkennbar. Die ineinander verkeilten, abstrahierten Mensch-Tier-Leiber erscheinen als eine anonyme Masse. Mit seinem Relief bezieht sich der französische Künstler auf ein verlorengegangenes Wandgemälde Leonardo da Vincis, das dieser 1503 im Palazzo Vecchio begonnen hatte zu malen. Es zeigte die Schlacht bei d` Anghiari von 1440, in der die Florentiner über die Mailänder siegten.1506, als Leonardo nach Mailand ging, hatte er das Bild unvollendet zurückgelassen. Mit „La Bataille“ ist es Jacques Charles Delahaye gelungen, die an sich widersprüchliche Dualität von figürlicher und informeller Darstellung zu vereinen.

„Lebensgröße Dresden“ (1983), Bronze, von Heinz Breloh (1940-2001)

Die 2018 vor dem Kunstmuseum Bochum erfolgte Aufstellung der zu den typischen Arbeiten des Bildhauers Heinz Breloh zählenden Bronze „Lebensgröße Dresden“ aus dem Jahr 1983 dokumentiert den engen Bezug des Künstlers zu Bochum. 1998 hatte der als „sculpteur sculpteur“, also als Bildhauer für Bildhauer geltende Künstler, der viel über das bildhauerische Metier nachdachte und seine Plastiken leidenschaftlich sinnlich durch den obsessiven Einsatz des eigenen Körpers formte, neben zahlreichen Gruppen- und Soloausstellungen die wichtigste Einzelausstellung im Kunstmuseum Bochum. Ein 1994 entstandenes Pendant der „Lebensgröße“ befindet sich in Essen auf der Skulpturenwiese Moltkeplatz. Die Oberfläche der Bronze ist lebhaft schrundig gestaltet. Viele Kerben, Furchen und Vertiefungen deuten auf eine dem Bronzeguss vorangegangene intensive Materialbearbeitung des Gips` hin. Tatsächlich ist die „Lebensgröße“ das Resultat einer im Atelier als Intensiv-Kontakt mit dem Werkstoff vollzogenen, nichtöffentlichen Performance, in der, laut Manfred Schneckenburger, der nackte Künstler den noch nassen Gipsblock mit seinem Körper regelrecht abschleift: „Er presst, dreht, windet sich nach einem genau bemessenen Programm in und gegen den Block, durchpflügt den Gips nach innen, umspannt ihn von außen… Die fertige Skulptur hält die Körperform als negatives Volumen fest, mit deutlichen Schleifzonen und Druckstellen kleinerer Gliedmaßen wie Daumen oder Fußsohlen.“ Heinz Breloh war durch und durch Bildhauer. Immer wieder hat er das Handwerkliche, das Formen des Materials sowie seinen eigenen körperlichen Einsatz bei der Formung des Kunstwerks betont: „Das ist eigentlich der Wunsch, dass die Plastik einem so nahe kommt, wie ein Mensch, wie, sagen wir mal Sex, dieses ganz Nahe.“ In den neunziger Jahren thematisierte Heinz Breloh den Bildhauer als „Sechsender“ – wie er es bezeichnete – mit den sechs sinnlichen Kraftenden Kopf, Arme, Beine und Genital. Die Skulptur ist eine Dauerleihgabe der „Stiftung der Sparkasse Bochum zur Förderung von Kultur und Wissenschaft“.

„Grande ruota“ (2000), Eisen, von Giuseppe Spagnulo (1936-2016)

Die „Grande ruota“, das „Große Rad“, ist ein 53 Tonnen schweres, dennoch dynamisch wirkendes Werk aus massivem Eisen von großer Präsenz. Es wurde von dem international bedeutenden, aus dem süditalienischen Apulien stammenden Bildhauer Giuseppe Spagnulo geschaffen. Ursprünglich war es in dem Bochumer Skulpturenpark „Situation Kunst – Für Max Imdahl“ in Weitmar verortet. Seit 2006 steht die mit dem Verhältnis von Stabilität und Labilität spielende Großplastik als private Dauerleihgabe und als markanter Blickfang vor dem Kunstmuseum Bochum am Eingang des Stadtparks. Das sockellos installierte Werk inszeniert ein intensives Spannungsverhältnis zwischen zwei unterschiedlichen geometrischen Formen. Die  80 Zentimeter dicke, 3,30 Meter im Radius messende Scheibe, – das „Rad“ – , setzt sich zu einem, aus ihrem Inneren herausgebrochenen, größtmöglichen Quadrat ins Verhältnis. Erst im Umschreiten der materialintensiven, von großer Krafteinwirkung geprägten Plastik zeigt sich, dass die beiden sie prägenden, gegensätzlichen Formelemente nicht vollständig getrennt sind, ja  einander sogar stützen. Wer allerdings wen stützend aufrecht hält, bleibt offen. Dass es sich jedoch um zwei Polaritäten (rund- eckig) eines gemeinsamen Ursprungs handelt, die nicht ohne ihr Gegenteil bzw. ihren Gegenspieler ihre Stabilität bewahren können, ist offensichtlich. Zeitlebens hat der aus einer Keramikerfamilie stammende Giuseppe Spagnulo an der Öffnung von geschlossenen Formen und Systemen gearbeitet, – durchaus auch in gesellschaftspolitischer Absicht. 1968 hatte sich der documenta- und Biennale-Teilnehmer aktiv an den studentischen Aufständen in Mailand beteiligt. Seine den Werkstoff und dessen Bearbeitung durch menschliche Einflussnahme thematisierende Kunst verstand der am griechischen Mythos genauso wie an der Minimal Art interessierte Künstler als anschaulichen, existentiell-philosophischen Beitrag in der Überzeugung, dass kraftvoll eingesetzte Energie widerständige Strukturen verändert und aufbricht.

„Iron Report“ (1979/80), verschiedene Metallteile und Schlacke, von Aleš Veselý (1935 -2015)

Das aus unterschiedlichen Metallresten  und Schrottteilen zusammengesetzte, 3-teilige Skulpturen-Ensemble „Iron Report“ wurde im Rahmen des 1. Bochumer Bildhauersymposions 1979/80 von dem tschechischen Künstler Aleš Veselý für den Stadtpark geschaffen. Initiiert worden war das als Vorreiter einer öffentlichen Diskussion von Kunstwerken unter freiem Himmel geltende Kunstprojekt mit insgesamt neun internationalen Künstlern von dem damaligen Museumsdirektor Peter Spielmann. Bis heute stellt es einen deutschlandweit frühesten Versuch dar zu einem besseren Verständnis von moderner, insbesondere abstrakter Kunst im öffentlichen Raum beizutragen. In Kooperation mit ortsansässigen, metallverarbeitenden Betrieben, die Platz und Materialien zur Verfügung stellten, waren die von einer Fachjury ausgewählten Teilnehmer eingeladen vor Ort ihre aus Metall zu fertigenden Kunstwerke zu realisieren. Für „Iron Report“, – was ein dem Werk nachträglich vom Künstler hinzugefügter Titel ist -, hat Aleš Veselý binnen von 4 Monaten verschiedene Abfall- und Schrotteile gesammelt, um sie mit Blick auf die Raumsituation vor Ort im Stadtpark zu einer großen Stahl-Collage zusammenzufügen. Dafür übertrug der einst als Professor für Monumentalskulptur an der Akademie der Bildenden Künste in Prag lehrende Künstler die Methode der traditionell flächigen Papier-Collagierung auf die Sparte raumbesetzender Metallskulptur. Mit 7,60 Metern Höhe, 9 Metern Länge und fast 30 Tonnen Gewicht dominiert die größte Skulptur des „Iron Report“ als zentraler Bezugspunkt das 3-teilige Ensemble. Während die entfernt an einen Mixer erinnernde Hauptskulptur exponiert auf einem Hügel steht, finden sich die beiden kleineren Teile  im unteren Bereich des abfallenden Geländes. Imaginär bildet die Positionierung der kleineren Skulpturen zusammen mit dem Hauptbezugspunkt der erhöht installierten Hauptskulptur ein unregelmäßiges Dreiecksverhältnis. Dieser sich über unterschiedliche Distanzen vernetzende Raumdialog erfährt eine nochmalige Potenzierung durch den in allen drei Skulpturen verarbeiteten Mix aus Metall- und Schlacke-Werkstoffen. So entspannt sich jenseits von vorbildbezogener Abbildlichkeit bzw. Illustration ein raum-stoffliches Relationsverhältnis ganz eigener, sur-realer Bildlichkeit, das die Vorstellung einer übergeordneten Ganzen provoziert, zu dem sich die Teile wie versprengt im Raum verhalten. Es kann als Einladung an den Betrachter verstanden werden, sich durch die eigene Positionierung in ein selbst gewähltes Beziehungsverhältnis zum Teil-Ganze-Verhältnis zu setzen. „Iron Report“ wurde in über 300 Zeichnungen und Skizzen vorbereitend konzipiert.

„Skyline“ (2010), Leuchtstoffröhren, von François Morellet (1926 – 2016)

Der filigrane Lichtbogen „Skyline“ des französischen Künstlers François Morellet an der Hauptfassade des Kunstmuseum Bochum wurde als Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr 2010 installiert. Zunächst temporär für ein Jahr geplant, hat sich die ortsspezifisch konzipierte Lichtskulptur eines der wichtigsten Künstler der Geometrischen Abstraktion als städtische Landmarke im öffentlichen Raum etabliert. Inzwischen ist der langfristige Verbleib von „Skyline“ gesichert. Als einer der ersten im Bereich der Lichtkunst hat François Morellet zeitlebens in diesem Bereich immateriellen Werkstoffs gearbeitet. 1963 entstand François Morellets erste Neonarbeit. Seinen oft ortsspezifisch konzipierten Werken gingen zumeist wissenschaftliche, strukturelle Experimente voraus. Eine anonyme, industriell geprägte Handschrift ist typisch für den Künstler. François Morellet ist Mitbegründer der Gruppe GRAV (Groupe de Recherche d`art visuel). Als einer der wenigen Vertreter Konkreter Kunst verknüpft er die rationale Ästhetik und den präzisen Minimalismus seiner Werke mit Humor: „Kunstwerke sind Picknickplätze, spanische Wirtshäuser, wo man das verzehrt, was man selber mitgebracht hat…“ Auch „Skyline“ erscheint von einer spielerischen Leichtigkeit. Bei Dunkelheit leuchtet die tagsüber kaum sichtbare Lichtlinie magisch blau, obwohl sie eine eigentlich radikal puristische Setzung ist. „Skyline“ zeichnet mit dem an sich immateriellen Licht einen im oberen Mittelfeld unterbrochenen, an die architektonischen Vor- und Rücksprünge der Museumsfassade angepassten Halbkreis, der sich, – zu beiden Seiten bodenwärts neigend -, imäginär unter der Erde zu einem Kreissegment vervollständigt. Dessen Radius misst 69 Meter. Gleichzeitigt setzt das vom Lichtbogen ausgesparte obere Feld die Skyline des hinter dem Kunstmuseum Bochum befindlichen Bergbaumuseums in Szene: So, dass vom Stadtpark aus auf das Kunstmuseum zulaufend ein Teil des historischen Förderturms des Bergbaumuseums als gegenständliches Bildfeld, eingefügt in einem minimalistischen Lichtbogen, zu sehen ist. Durch diese optische Verklammerung beider Museen wird ein zeitüberspannender Bezug zwischen der Bergbaugeschichte des Ruhrgebietes und dem Einsatz industrieller Werkstoffe (Leuchtstoffröhren) in der Gegenwartskunst initiiert.

Texte: Dr. Claudia Posca / Fotos: Lutz Leitmann