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Charlotte Salomon. Leben? oder Theater?
28 Feb 2015———25 Mai 2015

—————————— Mit einer Reihe von Künstlerinnen und Künstlern, die wegen ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten umgebracht wurden, unterliegt auch das Werk von Charlotte Salomon (1917 in Berlin geboren und 1943 im KZ Auschwitz ermordet) der Gefahr, eher als besonderes historisches Dokument denn als beispielloses Kunstwerk betrachtet zu werden.
So entstand die fast 800 Blätter zählende Bildfolge „Leben? oder Theater?“ unter dem enormen psychischen Druck, dem sie als Emigrantin in Südfrankreich in ihren letzten Lebensjahren ausgeliefert war. Indem sie ihre Lebensgeschichte künstlerisch verfremdet malt, hat sie jedoch ein nahezu konzeptionelles Kunstwerk geschaffen.

Sie bedient sich unterschiedlicher Kunstformen und Stile, um sehr reflektiert den Betrachter zu emotionalisieren. Konzipiert wie ein Theaterstück oder wie das Drehbuch zu einem Film werden die Bilder zur expressiven Szenenfolge ihrer Familiengeschichte.
Dem jeweiligen Ereignis und der intendierten Wirkung entsprechend entwickelt oder zitiert die Malerin unterschiedliche stilistische Ausdrucksformen, die von bewusst kindlicher, naiver Malerei über van Gogh, Munch, die deutschen Expressionisten bis hin zu Matisse, Picasso und abstrakter Kunst reichen. Die von Charlotte Salomon entwickelte serielle Wiederholung einzelner Motive rückt sie aus heutiger Sicht in die Nähe der Pop-Art. Dazu trägt auch ihr Einsatz der Schrift bei, der den Bildern bisweilen eine Nähe zur Karikatur und zum Comic verleiht. In der Malerei erscheinen Texte, die sich wie ein Opernlibretto, Regieanweisungen, Anekdoten, Gedichtzitate oder Gedankensplitter lesen. Mit scharfer Beobachtungsgabe reflektiert und kommentiert sie gleichermaßen psychische wie politische Ereignisse mit Humor, Ironie und Sarkasmus, aber auch mit einem hohen Maß an Empathie. Dabei bedient sie sich auch der Musik, indem sie Melodien und Gesangsstücke aus Klassik, Volksmusik und Schlager zu einzelnen Texten vorgibt.
Mittels der Technik der Gouache vereinheitlicht die Künstlerin visuell die mediale und stilistische Vielfalt.
Spätestens nach der Präsentation von Arbeiten Charlotte Salomons bei der dOCUMENTA (13)
wächst das künstlerische Interesse an dem Werk.
So komponierte Marc-André Dalbavie die Oper „Charlotte Salomon“, deren Libretto auf den Gouachen „Leben? oder Theater?“ basiert als Auftragswerk der Salzburger Festspiele 2014.

Die Bochumer Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
(MiR), an dem unter der Choreographie und Inszenierung von Bridget Breiner das Ballett „Charlotte Salomon: Der Tod und die Malerin“ von Michelle DiBucci im Februar 2015 aufgeführt wird.
Insbesondere Bridget Breiners Interpretation des Werkes veranschaulicht das über das persönliche Schicksal hinausreichende, metaphorische Potential der Kunst von Charlotte Salomon.

Sämtliche ausgestellten Werke sind Leihgaben des Jüdischen Museums in Amsterdam, in dem
sich der Nachlass Charlotte Salomons befindet.