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Rupprecht Geiger. Farbe tanken
25 Jun 2017———22 Okt 2017

—————————— Für Rupprecht Geiger werden Licht- und Farberscheinungen des weiten Himmels über kriegszerstörten und menschenentleerten Landschaften während seines Einsatzes als Kriegsmaler in Russland zum prägenden Schlüsselerlebnis seiner Malerei:
„Der Himmel ist von beispielloser Farbenpracht und von unglaublicher Weite. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. …
In der traurigen Düsternis des Kriegsgeschehens wird das Rot, der leuchtende Abendhimmel ein hoffnungsvolles Fanal.“ (Tagebucheintrag 1941)
Die in diesem Zusammenhang entstandenen Werke verweisen trotz ihrer Abbildhaftigkeit bereits auf die von Geiger später provozierten Stimmungen und Energiefelder in abstrakten Farbbildern.
Als Sohn des Malers Willi Geiger 1908 geboren und früh durch seinen Vater für Licht- und Farbwirkungen in der Natur sensibilisiert, wählt er die Laufbahn des Architekten und verschreibt er sich erst nach seinem Russlanderlebnis der konsequenten Erforschung des Wesens der Farbe. Schon 1948 experimentiert er mit einer Werkgruppe von „shaped canvases“, die seine Überzeugung, dass Farbe eine Ausdehnung braucht und somit seine Suche nach Formen der Farben, sein „Bauen mit Farbe“, unterstreichen. Als Mitbegründer der Künstlergruppe „ZEN 49“ ging es ihm in seinem Kunstschaffen immer auch um das Verhältnis von Materie und Geist, um den Ausdruck von Spiritualität. Als malendes Individuum nimmt er sich zunehmend zurück und schließt jeglichen handschriftlichen Duktus beim Farbauftrag aus. Dies gelingt ihm durch eine Spritzpistole, die er seit 1965 benutzt und mit ihr Acryl gebundenen fluoreszierenden Pigmenten auf die Leinwand bringt, um so der Farbe optimal die Entfaltung ihrer Wesenhaftigkeit zu ermöglichen. Um dem individuellen Wesen einer Farbe zu entsprechen, verlässt er bisweilen das klassische Rechteckformat und sucht nach genuinen Formen, die als ovale Bilder, Farb- und Leinwandkombinationen bis hin zu dreidimensional konstruierten oder imaginierten Farbobjekten wirksam werden. Dabei entziehen sich Geigers Farbmaterialisationen dem empirischen Raum: Für ihn relativieren sich Kategorien wie oben und unten, so dass seine Werke bisweilen keine eindeutige Vorgabe der Hängung haben.

Im Jahre 2002 fördert der damalige Leiter des Lenbachhauses München, Helmut Friedel, indem er ihn als Vertreter Deutschlands zur XXV Biennale de Sao Paulo einlädt, wo dieser auf großen Leinwänden eine geradezu monumentale Farbmalerei verwirklicht. Im hohen Alter gelingt es Geiger, der im Alter von 101 Jahren 2009 verstarb, mit der Souveränität eines Zen-Meisters noch einmal mit Pinsel und Leinwand die Wesenhaftigkeit der Farbe wirksam werden zu lassen. Die lebenslange Beschäftigung mit Farben führt ihn immer weiter zurück zu seinem Initiationserlebnis: das Rot des Abendhimmels über der Weite Russlands.

„Rot, die Farbe Rot ist mehr als Farbe, Farbe ist Element – Rot.“ (Geiger 2009)

Nachdem Rupprecht Geiger auch in seiner Funktion als Professor für Malerei an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf von 1965 bis 1976 erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Farbmalerei genommen hat, gibt die Bochumer Ausstellung nach vielen Jahren hier im Westen Deutschlands wieder einmal einen repräsentativen – und dennoch sehr kontemplativ angelegt – Einblick in Geigers Werk. Eine exemplarische Auswahl lässt entscheidende Schritte seines Schaffensprozesses nachvollziehen unter besonderer Berücksichtigung seiner bis zum Schluss andauernden Beschäftigung mit der Farbe Rot. Bezüge zu Bochum thematisiert die Schau über Werke aus der städtischen Kunstsammlung hinaus mit der 1974/75 entstandenen, dreiteiligen Wandgestaltung an der Ruhr-Universität, Bochum in der Aula der Medizinischen Fakultät (2 Wände je 9 × 3,35 m und 1 Wand 5,05 × 3,35 m), die mit einem neu abgedruckten Text von Georg Imdahl im Katalog, der die Ausstellung dokumentiert, erläutert wird.
Die Ausstellung entsteht in enger kuratorischer Zusammenarbeit mit der Geiger–Expertin und Enkelin des Künstlers, Julia Geiger, und dem Archiv Geiger in München.

BITTE BEACHTEN SIE:

In den letzten Wochen kam es zu unerwartet hohen Unwetteraufkommen mit Sturmböen und Starkregen, deren Wassermassen für normale Dachkonstruktionen bereits problematisch wurden. Da das Kunstmuseum mit seinen charakteristischen Sheddächern vor dem Abschluss einer umfangreichen Dachsanierung steht, wurde eine vorbeugende Prüfung von der Bauverwaltung vorgenommen. Trotz aller zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen haben sich die Bauaufsicht und die Museumsleitung in enger Abstimmung zu einer erhöhten Vorsichtmaßnahme entschlossen, nämlich den Ausstellungsbetrieb in dem Oberlichtsaal vorüberghend einzustellen.
Die am 25. Juni 2017 in dem betroffenen Trakt erfolgreich eröffnete Ausstellung „Rupprecht Geiger. Farbe tanken“ wird wegen der großen Nachfrage neu konzipiert und ab Samstag, 5. August 2017, im Erdgeschoss präsentiert. Für die momentan nicht absehbare Dauer dieser Interimslösung muss leider auf die Präsentation einzelner Überformate verzichtet werden. Ein Rückbau der Ausstellung ist nach Abschluss der Arbeiten vorgesehen.
Die bislang im Erdgeschoss gezeigte Themenausstellung „Der Junge Westen und sein Nachhall in der Bochumer Kunstsammlung“ endet aus diesem Grund früher.