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In Holz geschnitten – Dürer, Gaugin, Penck und die anderen
1 Jul 2001———1 Okt 2001

—————————— Die Erfindung des Holzschnittes als Verfahren der Bildreproduktion steht an der Epochenschwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Zwar wird der Fortbestand des Mediums mehrfach durch technische Innovationen – Radierung, Kupferstich, Lithografie, Fotografie – in Frage gestellt. Doch bis in die Gegenwart vollzieht sich die Entwicklung in immer neuen Schüben der Wiederentdeckung.
Die Ausstellung gliedert sich in einen historischen und einen konzeptuellen Teil. Ausgangspunkt sind kolorierte Einblattdrucke aus dem 15. Jahrhundert, die die Popularisierung religiöser Schriften zu leisten hatten. Albrecht Dürer, der den Holzschnitt zum eigenständigen künstlerischen Medium erhob, folgen Albrecht Altdorfer, Hans Baldung Grien, Lucas Cranach der Ältere, Hans Burgkmair und Hans Holbein der Jüngere, die die Gestaltungsmöglichkeiten des Holzschnitts bis zum Extrem ausloteten, etwa im Farbdruckverfahren des Clairobscurholzschnitts.

Die Erfindung des Holzschnittes als Verfahren der Bildreproduktion steht an der Epochenschwelle vom Mittelalter zur Neuzeit.

Die Entwicklungen in Italien vertreten Blätter von Ugo da Carpi, Nicolo Boldrini und Tizian. Nachdem das Verfahren im 17. und 18. Jahrhundert weitestgehend durch die Radierung verdrängt worden war, lassen Künstler der Romantik (Alfred Rethel, Caspar David Friedrich, Adolph Menzel) im Holzschnitt eine verklärte Vergangenheit aufleben, um ihm damit wieder eine künstlerische Eigenwertigkeit einzuräumen. Die Künstler der Arts-and-Crafts Bewegung (Edward Burne Jones,William Holman Hunt, Dante Gabriel Rossetti) rücken den Holzschnitt in das Zentrum ihres Programms einer Versöhnung von angewandter und freier Kunst. Die Begegnung mit dem japanischen Farbholzschnitt bereitet schließlich den Entwicklungen des Symbolismus und des Jugendstils den Weg (Emil Orlik, Peter Behrens, Emile Bernard, Aristide Maillol, Félix Vallotton und andere). Am Ende des geschichtlichen Panoramas stehen als Wegbereiter einer umfassenden Renaissance Werke von Paul Gauguin und Edward Munch.

Den konzeptuellen Teil der Ausstellung eröffnen die Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts, die dem Holzschnitt die Funktion eines bildhaften Manifestes zuerkannten („Blauer Reiter“, „Brücke“, „Bauhaus“). Künstler des Expressionismus entdeckten in der Handwerklichkeit des Mediums einen Ausdruckswert, um sich über akademische Kunstideale hinwegzusetzen und den Betrachter für die Ursprünge von Kunst und Leben zu sensibilisieren (Ernst Barlach, Max Beckmann, Wilhelm Morgner, Otto Pankok, Christian Rohlfs und andere). In der revolutionären Tendenzkunst erscheint der Holzschnitt als Weg, eine plakativ zugespitzte Bildsprache zu entwickeln und über massenhafte Verbreitung der Bilder direkt in gesellschaftliche Prozesse einzugreifen (Gerd Arntz, Conrad Felixmüller, Sella Hasse, Käthe Kollwitz, Frans Masereel und andere). Künstler, die im Spannungsfeld von Abstraktion und Konkretion arbeiten, akzentuieren die Oberflächenstruktur des Holzes, die Substanz der Farbe und den Druckstock in seiner Gegenständlichkeit (Jean Arp, Julius Bissier, Otto Freundlich, Leo Breuer, Frantisek Kupka, Ernst Wilhelm Nay).

Positionen der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart erscheinen in einem Spannungsfeld, auf dem zwar die traditionelle Gebundenheit des Verfahrens offenbar ist, gerade aber auch zeitgenössische Interessen fokussiert sind. Aufgeworfen werden hierbei Möglichkeiten einer figurativen beziehungsweise narrativen Bildsprache (Georg Baselitz, Claudia Blume, Werner Büttner, Jörg Immendorff, Asger Jorn, Anselm Kiefer, Gustav Kluge, Wolfgang Mattheuer, Markus Lüpertz, Albert und Markus Oehlen, Erwin Wortelkamp und andere), die Konzeption des Bildes als Zeichen, als Spur oder Piktogramm (Gerhard Altenbourg, Josef Beuys, Felix Droese, Friedemann Hahn, HAP Grieshaber, Robert Mangold, Uwe Meier-Weitmar, Carsten Nicolai, Martin Noël, A.R. Penck und andere) sowie Prinzipien einer seriellen Ordnung bis hin zur raumgreifenden Inszenierung (Günther Förg, Franz Gertsch, Donald Judd, Hubert Kiecol, Imi Knoebel, Sol Le Witt). Es entfaltet sich ein Panorama, in dem sich die künstlerischen Tendenzen seit Beginn der 80er Jahre zwar widerspiegeln, diesen jedoch ganz eigenwertige Facetten abgewonnen werden. Hier werden die Grenzen zwischen den künstlerischen Gattungen gesprengt oder zumindest umspielt.