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ZEN und die westliche Kunst
25 Jun 2000———20 Aug 2000

—————————— An der Wende ins 3. Jahrtausend lässt sich in den Gesellschaften der westlichen Zivilisation ein verstärktes Interesse an den Ideen und der Geisteshaltung des ZEN-Buddhismus verspüren. In der Vergangenheit hatte sich die Faszination für den Fernen Osten periodisch in der westlichen Kunst niedergeschlagen. Verstärkt am Ende des 19. Jahrhunderts prägte der Japonismus unter formalem Aspekt die französische Kunst der Symbolisten und der Impressionisten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckte Wassily Kandinsky das Intuitive der japanischen Kunst und verarbeitete diese Sichtweise in seiner 1912 erschienenen Schrift „Über das Geistige in der Kunst“. Von ihm geprägte Begriffe wie „Innerer Klang“ oder „Innere Natur“ lassen sich als Teilspekte zen-buddhistischer Meditation und ihrem Ziel (satori) der Selbstwesensschau, jenem „Öffnen des geistigen Auges“ deuten.

Die Schriften und Vorträge über ZEN von Daisetz T. Suzuki (1870 bis 1966), der vor allem in Amerika wirkte, beeinflussen Generationen von amerikanischen und europäischen Künstlern bis heute. Andere Publikationen wie das 1922 erschienene Buch des Sinologen Ernst Grosse „Die Ostasiatische Tuschmalerei“, der 1932 veröffentlichte Reisebericht „Un Barbare en Asie“ von Henri Michaux oder der erstmals 1936 in der Zeitschrift Nippon publizierte Aufsatz „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herrigel übten entscheidenden Einfluss auf Künstler ihrer Zeit aus. Einige zog es direkt nach Japan, um authentisch die Kultur zu erleben und die tradierten Künste zu studieren; so Mark Tobey, Yves Klein, Pierre Alechinsky, Ad Reinhardt oder John Cage. Heute lässt sich unter zeitgenössischen Künstlern ein verstärkter Tend nachweisen, nach Japan zu reisen, um sowohl in ZEN-Klöstern als auch mit japanischen Kollegen Erfahrungen zu sammeln, die die ZEN-Philosophie betreffen.

Die Künstler des 20. Jahrhunderts, die die Autonomie der Kunst als Errungschaft feierten, musste der hohe Abstraktionsgrad der ZEN-Gedanken und die daraus resultierende Ästhetik faszinieren.

Der Begriff der Leere (ku), sichtbar als der leere Grund des Bildes und identisch mit dem leeren Grund des Seins, dem satori, wird zum zentralen Thema, zur Grundhaltung einer Reihe von Künstlern. Der erste ZEN Patriarch Bodhidharma prägte die markanten Worte: „Offne Weite – nichts Heiliges.“ Die ZEN-Lehre entzieht sich jeglicher Orthodoxie, bleibt unabhängig von den Schriften, verweigert sich esoterischen Ritualen und verwirft starre Symbole. Sie prägt Skeptizismus, die Wirklichkeit und ihr Abbild wird in Frage gestellt, es gibt eine Tendenz zum Anikonismus, zur Bilderlosigkeit. Dennoch gibt es Kriterien für eine ZEN geprägte Kunst, deren Verfasser lange ein Außenseitertum pflegten. Angestrebt werden ungekünstelte Einfachheit, Schlichtheit, Sachlichkeit und zugleich zupackende Unmittelbarkeit, schmucklose Erhabenheit, Losgelöstheit, Stille, innere Ruhe und ein tiefes, respektvolles Naturgefühl. Zum Erreichen des Zustandes des Leere spielen aber auch die gezielte Provokation, die Paradoxie und das Fragmentarische eine wichtige Rolle, die eine sprachliche (koan) und visuelle künstlerische Ausdrucksform finden.

Man sieht im Kunstwerk keinen Gegenstand, dem man gegenüber steht, man nähert sich ihm, sucht die Identifikation, um zu einer Vereinigung von Geist zu Geist, zwischen Schöpfer und Betrachter, zu gelangen.

Die Intentionen der Ausstellung liegen im Aufzeigen kulturübergreifender Zusammenhänge und der Herleitung sogenannter moderner Kunst.
Einführend dokumentiert eine Auswahl historischer Exponate wie Tuschzeichnungen, Kalligraphien, Schriftrollen und Keramiken aus den Beständen des Museums für ostasiatische Kunst in Berlin und des Museums für ostasiatische Kunst in Köln die unmittelbare ästhetische Umsetzung der ZEN-Philosophie in Japan.
Insgesamt konzentriert sich die Ausstellung auf die Werke von europäischen und amerikanischen Künstlern, die sich mit dem Gedankengut des ZEN innerhalb ihres Schaffens auseinander gesetzt haben. Kunsthistorisch argumentierend, zeigt die Präsentation durch das 20. Jahrhundert hindurch die Kontinuität dieses spezifischen Ost-West-Dialoges, der lebendig bis in die unmittelbare Gegenwart andauert.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Helmut Brinker (Zürich), Elisabeth von Campenhausen (Berlin), Hans Günter Golinski (Bochum), Sepp Hiekisch-Picard (Bochum), Alexander Klee (Tübingen), Axel Müller (Frankfurt am Main), Zsolt Petrányi (Budapest), Klaus Schöning (Köln), Dirk Steimann (Essen), Helen Westgeest (Amsterdam), Günter Wohlfahrt (Wuppertal).

Während der Laufzeit der Ausstellung findet Dank der freundlichen Unterstützung der Stiftung der Sparkasse Bochum zur Förderung von Kultur und Wissenschaft ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm statt. In einer Vortragsreihe sprechen neben den Katalogautoren weitere Kunsthistoriker und Kulturhistoriker zu dem Thema der Ausstellung. Der Einfluss des Zen auf die Musik steht im Mittelpunkt verschiedener Konzerte. Neben einer Darbietung japanischer Flötenmusik durch den Shakuhachi-Spieler Andreas Gutzwiller wird vor allem Musik von John Cage aufgeführt. Auf sein Werk spezialisierte Musiker wie Eberhard Blum, Karola Pasquay und Uwe Fischer-Rosier konzertieren in der Ausstellung. In Zusammenarbeit mit dem Studio für Akustische Kunst des WDR und dessen Leiter Klaus Schöning findet eine Aufführung des „Roaratorio“ von Cage statt, und es wird ein Klangraum mit der Musik von ihm und anderen zeitgenössischen Künstlern wie George Brecht, Malcolm Goldstein, Bill Fontana, Alison Knowles, Pauline Oliveros und Philip Corner installiert. Performances und zeitgenössiche Umsetzungen von No-Stücken veranstalten Antoine Beuger und Mauser. Durch die freundliche Beratung des Japanischen Kulturinstitutes in Köln konnten Experten gewonnen werden, die die unterschiedlichen „Wege“ (dô) des Zen wie die Kalligraphie, die Teezeremonie, das Blumenstecken, die Schwertkunst oder das Bogenschießen demonstrieren.

Workshops zu Haiku-Dichtkunst und Butoh-Tanz werden angeboten. Ein Filmprogramm zeigt die inhaltliche und formale Umsetzung des Zen-Gedankengutes.